Freitag, 29. April 2011

Warum schreiben Sie?

Das wurde ich gefragt.

Und ich antwortete mit einer Gegenfrage: Warum lebe ich?

Damit war für mich die ganze Sache eigentlich schon abgehakt, aber ich registrierte doch immerhin noch das verdutzte Gesicht des Fragenden. Ich nickte, sah ihm in die Augen und fragte nun meinerseits:

Haben Sie schon mal den Namen Rudolf Ditzen gehört?

Rudolf Dittsen? Nein, ich wüsste nicht.

Und Hans Fallada?

Hans Fallada? Ja, ich glaube schon.

Gut. Der Fallada, der hat nämlich mal in einem Brief geschrieben: Ganz abgesehen, dass mir Schreiben Lebenssache ist, etwas wie Atmen, ganz abgesehen davon also, glaube ich ein bisschen daran, dass es hilft, ein ganz klein wenig hilft, wenn man den Menschen sagt: seid anständig zu einander.

Ach so, und deswegen schreiben Sie also auch?! Ich verstehe. Aber was hat es denn mit dem Namen, wie sagten Sie doch gleich, Dittsen auf sich?

Ja, Ditzen. So hieß der Fallada mit bürgerlichem Namen. Rudolf Ditzen. D I T Z E N.

Ach so, Ditzen. – Moment mal. Ditzen? Und wie heißen Sie noch? – Ja! Rudolf Nedzit. – Ach, du lieber Gott! Ein Anagramm also! Das ist ja interessant! – Sie heißen also gar nicht Nedzit! Ich meine: mit richtigem Namen!

Stimmt. Und das mit dem Anagramm finden Sie also interessant?

Ja, aber natürlich! Jetzt wird mir auch einiges klar.

Was denn?

Ja, dass der Ihr großes Vorbild ist, der Ditzen, oder besser gesagt der Fallada. Und Sie …

Ich fiel ihm ins Wort.

Er ist nicht mein Vorbild. Er steht so hoch über mir, dass ich ihn nicht erreichen kann oder könnte, niemals.

Ja, aber … ? – Und wie muss ich das verstehen?

Es muss nicht verstanden werden, ich kann Sie beruhigen. Es genügt vollkommen, die Aussage als solche stehen zu lassen.

Jetzt verstehe ich aber wirklich nichts mehr.

Nun, dann stehen wir wieder so ziemlich am Anfang. Denn die Frage „Warum schreiben Sie?“ stellt sich für einen Schreiber nicht. Er muss es einfach tun.

Dienstag, 26. April 2011

Ganz klar

Der eigene Anspruch überwiegt alle anderen, einzeln genommen, summarisch. Mögen aus allen Richtungen alle erdenklichen Pfeile geflogen kommen: des Hasses, der Liebe, der Gleichgültigkeit, was auch immer: sie können ihr Ziel nicht treffen – denn man selbst steht außerhalb der Reichweite.

Ein Pfeil muss im Köcher bleiben, vorerst: der eigene, der vergiftete, der nicht von Anderen abgeschossene: derjenige, der nur durch den Bogen befördert werden kann, welcher stark genug dazu ist – dann, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

Samstag, 23. April 2011

Der Quatsch von der Unsterblichkeit

Er ist unsterblich!

Quatsch, der ist schon seit langem tot!

Ja, aber seine Werke sind doch unsterblich!

Ja, Herrgott, aber dann sagt das auch so!

- - -

Ihr tut dem Mann mit der Unsterblichkeitshymne keinen Gefallen mehr, seht das doch ein und lasst ihn in Frieden ruhen. Bestenfalls gefiele es vielleicht noch im Nachhinein den Würmern, die sich an ihm gelabt haben mögen – als nachträgliche Anerkennung, dass sie den erlesenen Schmaus nicht verschmähten; aber auch die sind ja schon seit langem nicht mehr da, wahrscheinlich wurden sie von Würmern gefressen; im Übrigen würde denen aber auch nichts daran gelegen haben, vermute ich mal.

Mittwoch, 20. April 2011

Ich bin käuflich

Warum sollte man das verschweigen. Es lässt sich in aller Ruhe darüber reden, meinetwegen diskutieren. Warum denn nicht.

Es mag sein, dass es Schlimmeres gibt, wie gesagt, es mag sein. Tut ohnehin nichts zur Sache. Und warum sollte es auch.

Ich bin aber auch hartnäckig, unnachgiebig, unversöhnlich. Was nämlich meine Literatur angeht. Spielt dann keine Rolle, ob ich sie lese oder schreibe. Da bin ich hart wie Granit.

Ich beharre also auf meinem Januskopf. Suchen Sie sich halt die Seite aus, die Ihnen besser gefällt, meinen Segen haben Sie.

Sonntag, 17. April 2011

Provokation

Was denken Sie? Gibt es mehr Genies oder mehr Doofe? (Wir wollen es mal, zum Zwecke der Demonstration, an diesen Extremen festmachen.)

Und was glauben Sie nun? Welche „“Literatur““ (trauen Sie Ihren Augen: doppelte Anführungszeichen) verkauft sich, summa summarum, am besten? Die von und/oder für Genies oder die von und/oder für Doofe? Welche wird am meisten gedruckt, abgesetzt und, was das Schlimmste ist, gelesen?

Ich erwarte auf eine rhetorische Frage natürlich keine Antwort.

Doch gibt es einen Trost, mehr noch: eine Gewissheit. In Zeiten der geistigen Verflachung (also auch in der heutigen) nimmt zwar die Anzahl der Nicht-Geistigen zu, aber umso mehr erfährt die Anzahl der verbleibenden Geistigen (denn sie werden bleiben!) dadurch Rechtfertigung, gewissermaßen Segnung. Ein Zahlenbeispiel: nehmen wir zunächst an, dass auf eine Million Nicht-Geistige ein Geistiger kommt. Und dann nehmen wir an, dass auf zwei Millionen Nicht-Geistige ein Geistiger kommt. – O, welche Steigerung, welch immenser Aufschwung des Geistes! Er hat sich schlagartig durch seine rechnerische Halbierung verdoppelt, von der Wirkung, Auswirkung her betrachtet; aber das versteht sich ja von selbst.

Donnerstag, 14. April 2011

ohne punkt und komma

müsste man schreiben um wenigstens einen teil seiner gedanken beisammenhalten zu können das meiste geht ohnehin flöten aber so wäre es wenigstens ein versuch denn man kann sich so sehr bemühen wie man will man hinkt doch immer hinterher und registriert dass man in verzug ist man will doch alles auf den punkt bringen und jedes komma stört dabei hält einen auf und gedanklich ist man schon auf seite drei und ist nicht einmal mit der ersten fertig großer gott und man gerät immer mehr in rückstand und fängt auch schon an zu vergessen was man vor zwei sekunden noch wusste und lange kanns eigentlich nicht mehr hin sein dass man unsinn redet und doch nicht aufhören kann weil man nicht sicher ist ob man überhaupt schon angefangen hat und noch kein ende absieht aber ist man könnte ja sein vielleicht doch schon die frage sei erlaubt weiter vorgedrungen als was wie nun erlaubt ist fragezeichen ende keine ahnung wars das oder muss noch

Montag, 11. April 2011

Nichts hat Bedeutung

Dessen muss sich der Schreiber bewusst sein und zwar in dem Moment, in welchem er schreibt.

Und gerade deswegen muss er Herz und Seele in das Geschriebene hineinlegen – als hätte es alle Bedeutung der Welt. Denn warum sollte er sich ansonsten der Welt anbiedern?

Ja, gut – aus Ruhmsucht, aus Eigenliebe, aus Größenwahn und aus noch tausend anderen Gründen. Also aus Nichtigkeiten heraus.

Nein, nein, das lassen wir alles nicht gelten.

Er muss meinen, dass das von ihm Geschriebene alle Bedeutung der Welt hätte, wissend, dass nichts Bedeutung hat, haben kann, denn über alles streicht die Zeit hinweg, achselzuckend.

Also: er muss schreiben, weil er ein Schreiber ist. Vielleicht ein armseliger? Sei’s drum. Hauptsache, er hat überhaupt (und zeigt!) Seele.

Freitag, 8. April 2011

Ja

„Meine Antwort auf den Ozean aus Oberflächlichkeit ist ein Rinnsal aus ewigem Bemüh’n.“

Thomas Christen

Dienstag, 5. April 2011

Billig

Der Preis, den man für die eigene Literatur zu bezahlen hat, ist kaum der Rede wert: er ist das eigene Leben.

Man könnte in Verlegenheit geraten, sich ob kaum nennenswerten Rechnungsbetrages so einfach aus der Affäre ziehen zu dürfen. Schließlich hatte man geschlemmt, den besten Wein sich kredenzen lassen, auch ein fürstliches Trinkgeld eingeplant – und dann sieht man unterm Strich diese lächerlich kleine Summe.

Sie muss entrichtet werden, man ist kein Zechpreller. Und doch kann man sich ein bescheidenes, weises Schmunzeln nicht verkneifen. Man hat noch Geld übrig. Was soll man nun damit anfangen?

Es ließe sich wohl vererben. Gibt es Erben? Es ließe sich wohl verschenken. Gibt es Bedürftige? Es ließe sich wohl aus dem Fenster werfen. Gibt es ein solches?

Samstag, 2. April 2011

Geh’ mir voraus und folge mir!

Das rufe ich meinem Kind zu und stürze es in Verwirrung.

Wie aber (antwortet es fragend), wie nur, Vater, soll ich das bewerkstelligen?!

Das ist nun tatsächlich die Frage – und gleichzeitig schon die Antwort darauf.

Und so wollen wir denn die Wantlek-Sequenz zum Abschluss bringen. Es gibt noch so viel anderes zu bereden.