Samstag, 29. Januar 2011

Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen

Aber es geht ja nicht um Gewinner, Verlierer, Grundsätze. Eigentlich ist alles viel einfacher. Eigentlich geht es nur ums Lesen.

Der Schreiber ist dabei dem Leser in der Anfangszeit immer ein gutes Stückchen voraus, das schadet aber nicht, der Leser wird ihn schon noch früh genug einholen, irgendwann überholen und schließlich überrunden – wenn die Literatur etwas getaugt hat; wovon an dieser Stelle gemäß unserer Konglomeratsbedingung ausgegangen werden darf.

Als gutes Zeichen, als bestes für eine genüssliche Lektüre sehe ich den Umstand an, dass man beim Lesen nicht mehr registriert, dass man liest. (Könnte es ein angenehmeres Paradoxon geben?) Dass man sich in irgendeiner Zwischenwelt befindet, die einem erst in dem Moment bewusst wird, in welchem man sie verlässt, aber ohne zu wissen, wie man eigentlich in sie hineingeraten war. Welch herrlicher Zustand: ein Nichtwissen, das uns weder beschämt noch wurmt!

Auf was warten Sie noch? Los! Nehmen Sie ein gutes Buch in die Hand und tauchen Sie ab, ein! Ein „gutes“ Buch? Aber Sie bedürfen keiner Erklärung, irgendeiner Empfehlung! Sie wissen es ja bereits selbst, bewusst oder unbewusst: jedes Buch, das Ihnen diese Zwischenwelt, von der ich sprach, erschafft, verschafft, ist gut. Es ginge dieses Attributs erst verlustig, wenn Sie selbst nicht mehr daran glauben, wenn Sie daran zweifeln würden.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Keine Frage der Statistik, sondern der Statik

Am Leser ist es nun mit dem ihm angebotenen Stückchen Literatur etwas anzufangen oder nicht. Er kann sich dabei, wie gesagt, auf sein Gefühl verlassen, braucht keine Rücksichten auf die Intentionen oder Fantasien des Schreibers zu nehmen (so wie der Schreiber keine auf diejenigen des Lesers zu nehmen braucht, ja, vielmehr nicht darf). Zudem ist er in der beneidenswerten Lage, ein Buch jederzeit aus der Hand legen zu können (wohingegen der Schreiber an sein Manuskript wie mit Ketten gefesselt bleibt).

Gäbe es in diesem Spiel also einen Gewinner, wäre das zweifelsfrei der Leser (gleichgültig, ob ihm der Gewinn zustünde oder nicht). Glücklicherweise gibt es aber doch nicht selten zwei Gewinner und so steht einem allgemeinen Wohlbefinden grundsätzlich nichts im Wege – aber mit Grundsätzen alleine lässt sich auch nichts anfangen!

Übrigens gibt es nie mehr als zwei Gewinner, unabhängig von der Anzahl der Leser (und sei diese immens). Wie das gemeint ist? Nun: jeder einzelne Leser steht für sich. Wie könnte es anders sein!

Ach so, noch etwas: sollte es einen Verlierer geben (soll schon vorgekommen sein), sind es immer zwei, genau zwei.

Sonntag, 23. Januar 2011

Eine Beschwörungsformel ist nicht erforderlich

Die Literatur ein Spiel. Lassen wir sie als solches gelten und betrachten sie in zweierlei Hinsicht.

Zunächst aus der Sicht des Schreibers. Ich sage bewusst weder Schriftsteller noch Autor, weil in diesen Begriffen bereits eine Wertung steckt. Im Begriff Schreiber aber steckt wesentlich - man könnte auch sagen: lediglich - die Umschreibung des literarischen Entstehungsprozesses. Diese Betrachtungsweise ist mir allemal sympathischer, scheint mir zutreffender zu sein, ohne Hokuspokus.

(An dieser Stelle eine Zwischenbemerkung sowie maßgebliche Aussage für das Gesamtverständnis dieses Blogs: wir sind uns doch einig darüber, dass wir unter Literatur, so wie sie hier abgehandelt wird, nur das verstehen wollen, was folgenden, ernsthaft angewandten Kriterien standhalten kann: Schreibkunst, Tiefe des Gedankens, Gefühl. – Diesem Konglomerat wollen wir uns also widmen.)

Solange an einem Werk geschrieben wird, ist noch keine Literatur vorhanden, diese noch nicht. Wenn der Schreiber die Feder aus der Hand legt, wird sie geboren, dann ist diese da (ungeachtet einer eventuellen Publikation). Es kann sich auch um ein Fragment handeln, warum denn nicht, es sollen ja schon Leute gestorben sein, bevor sie mit ihrer Arbeit fertig waren. Entscheidend ist, dass der Schreiber sich (zu Lebzeiten, versteht sich) zurücklehnt, besinnt, nickt und denkt: So, das war’s! – Der erste Zug ist also gemacht. Den zweiten macht der Leser.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Ein Spiel beginnt

Was aber ist denn nun Literatur? Nicht im Sinne einer Definition, sondern vielmehr im Sinne eines Lebensausdruckes, einer emotionalen Zugänglichkeit.

Diese Frage muss (besser: darf) jeder (besser: derjenige, den sie interessiert) für sich selber beantworten: aus dem Stegreif oder unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten, aus dem Bauch heraus oder mit Hirnschmalz, leichtfertig oder grüblerisch. Am Ende seiner wie auch immer gearteten Überlegungen wird er auf eines stoßen: ein Gefühl, sein Gefühl.

Und so wollen wir festhalten: wo nach erfolgter Lektüre nichts gefühlt wird, kann keine Literatur im Spiel gewesen sein! Denn ein Spiel ist es, mehr nicht – aber auch (und das wiegt ungleich schwerer) nicht weniger. Noch dazu eines ohne Regeln. Und zählt somit zu der Sorte von Spielen, mit der wir uns (seien wir ehrlich) am liebsten beschäftigen.

Literatur „nur“ ein Spiel? – Ja, natürlich. – Aber was für eines!

Montag, 17. Januar 2011

Wer ist Rudolf Nedzit? - Und wer ist Wantlek?

Man kennt mich! – Nein? – Ich bleibe dabei: man kennt mich!

Wer den Wantlek gelesen hat, kennt mich. Mehr noch: er kennt mich besser, als ich mich selber kenne. Und wie leicht ist dieses anscheinende Rätsel zu lösen: denn das Selbstbild des Autors vermischt sich unterschwellig mit dem Fremdbild des Lesers und aus dieser „Seelenwanderung“ erwächst ein neues Geschöpf, ein ideelles, das gewissermaßen die Haut des Autors verlässt, um ein eigenständiges Leben zu führen. Und wie sensibel, wie empfänglich ist doch die Haut des Lesers!

Wir wollen das neue Geschöpf Dichter nennen. Der Dichter wiederum blickt mit Strenge und Güte auf sein geistiges Kind, das Werk – und entlässt es in die große, weite Welt hinaus, mit einer Träne im Auge und allen guten Wünschen. Begleiten kann er es nicht!

Und warum sollte er das auch tun, ja, warum überhaupt wollen? – Nein! – Er muss es alleine lassen, es muss seinen Weg alleine finden, zwar im zärtlichen Gedenken ans Vaterhaus, doch losgelöst von diesem, es muss auf eigenen Beinen stehen.

Leicht zu verstehen, nicht wahr? Denn ansonsten bliebe es doch wohl besser von Anfang an im trauten Heim hinterm warmen Ofen sitzen, verlöre es angesichts einer fehlenden führenden Hand sein Gleichgewicht, verzagte es bereits beim ersten Windhauch eines sich ankündigenden Sturmes.

Literatur muss aus sich heraus bestehen!