Montag, 28. Februar 2011

Literatur ist eine Hure

Mit großer Sorgfalt brachte sie ihr Strumpfband an, bemalte sich die Lippen, und auch die Stöckelschuhe standen schon bereit, ungeduldig den ersten Trippelschritten harrend. Ob sich auch heute unter den Freiern manierliche befinden sollten? Das würde ihr die Sache schon leichter machen. Aber wie dem auch sei: ihrem Grundsatz würde sie treu bleiben: sie ließ sich nicht auf den Mund küssen, nicht freiwillig, nie! Das hatte ihr schon die eine oder andere Ohrfeige eingetragen, aber davon starb man schließlich nicht. – Sie betrachtet sich im Spiegel. Aufpassen, nicht zu dick auftragen, nur ein zartes Rouge, das genügt. Die Wenigsten sahen ihr ohnehin ins Gesicht, und auch die eher oberflächlich und nur kurz. Und wenn schon. Sie ist ja ohnehin nicht so, wie Andere meinen, dass sie es wäre. – So, jetzt sieht sie schon ganz leidlich aus, richtig passabel, eine Augenweide. Ein Blick auf die Uhr. Ja, Zeit ist. Dann mal los. Schon in ein paar Stunden, wenn der Morgen graut, wird sie wieder zu Hause sein, sich in ihr Bettchen legen, alleine, und schlafen wird sie, und träumen wird sie, und erwachen wird sie, mit langsamem Augenaufschlag, und der neue Tag wird schon sehnsüchtig auf sie gewartet haben.

Freitag, 25. Februar 2011

qwertzuiopü+

Es wird nicht allzu lange dauern und Sie werden den Code entschlüsselt haben, antworten dann frech mit

asdfghjklöä#

Und ein Dritter gesellt sich dazu, frohlockt mit

yxcvbnm,.-

Jeder Code ist zu knacken, wenn man dahinter gekommen ist, wie.

So ist es auch bei manchem Buch.

Dienstag, 22. Februar 2011

Genie ODER Wahnsinn

Entweder oder. Es ist an der Zeit, sich von dem Mythos ‚Genie UND Wahnsinn’ zu trennen.

Wie lange schon wurde in konstruierten Fällen für Wahnsinn erklärt, was lediglich seiner Zeit voraus war, was die Zeitgenossen nicht verstanden, was sie in ihrer Überheblichkeit nicht zur Kenntnis nehmen wollten, was ihrem Geschmack nicht entsprach.

Die Armen! Ihr ganzes geistiges Vermögen mitsamt ihrer beengten Seele beschränkte sich auf die Huldigung des Genies, welch einfache Übung – und wie überflüssig! Ihnen erschloss sich nicht der Reichtum, der vor ihnen lag, vielleicht nur hundert Jahre weiter, doch entfernter als die nächste Galaxie, für sie unerreichbar, doch nicht für die späteren Generationen.

Die Beschenkten! Wie leicht haben sie es wiederum: sie müssen nur geboren werden, brauchen das für sie bestimmte Präsent nur auszupacken.

Samstag, 19. Februar 2011

Tippfeher

Glauben Sie bloß nicht, dass mir das leicht gefallen wäre. O nein!

Ich sprach bereits von Buchstaben und dass es auf jeden einzelnen davon ankommt.

Und wenn nun einer fehlt? Was dann? – Verlieren wir nicht die Bodenhaftung: davon geht die Welt nicht unter. Man sollte nichts übertreiben, man muss auch seine Empörung irgendwann wieder in den Griff bekommen.

Fazit: Pedanterie ist an und für sich keine schlechte Sache, im Gegenteil. Nur darf man an sie nicht übermäßig pedantisch herangehen.

Mittwoch, 16. Februar 2011

In der Kürze liegt die Würze

Kein Einwand meinerseits gegen eine tausendseitige Schrift.

Es wäre freilich eine unnütze, ich betone: befremdliche Übung gewesen, wenn man deren Gehalt (insofern sie einen haben mag), vielleicht (bestimmt?) mit Vorteil, auf hundert Seiten (weniger sogar?) hätte unterbringen können.

Sonntag, 13. Februar 2011

Ein Stachel namens Hochmut

Ach, wie erbärmlich. Dieses „Bubi-hat-ein-Buch-gemacht-Gehabe“, dieses „dämlich-in-die-Kamera-Grinsen“, dieses „Hast-du-schon-gewusst-Getue“.

Was Wunder ist denn schon passiert? – Freilich: ein weiteres Buch ist da, ein „Kind“ wurde geboren. – Wenn das mal kein Wunder ist! Ich räume es gerne ein.

Doch frage ich: Ist das Grund für einen Personenkult? Warum sollte es wichtig sein, welcher Mensch sich hinter dem Werk verbirgt (oder hervortut)? – Denn bedenken Sie doch: was aber, wenn dieser ein missratenes Exemplar ist (oder gewesen wäre)? Wie Ihrer Bestürzung Herr werden, wenn über die Buchseiten ein einzigartiger Glanz sich verbreitet, als hätte dieser Satansjünger sie/Sie mit Engelsflügeln berührt? – Und bedenken Sie weiter: was aber, wenn er ein gelungenes Exemplar ist (oder gewesen wäre)? Wie Ihre Enttäuschung vor sich und der Welt verbergen, wenn Ihnen aus den Buchseiten nicht mehr entgegenkommt als dummes Geschwätz, Firlefanz, als hätte dieser Heilige sich herabgelassen unter Sündern zu verweilen?

?

Klipp und klar: es empfiehlt sich, es genügt vollkommen, Bücher auf eine Art zu lesen: philologisch – oder vereinfacht ausgedrückt: so wie sie sind.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Kein Grund zur Aufregung

Schreiben, lesen.

Komprimieren wir beides und sagen also: denken.

Mehr wird gar nicht verlangt. Freilich handelt es sich um einen hohen Anspruch, vielleicht um den höchsten. Mancher tut sich schwer damit, überlässt das Denken lieber denjenigen, die sich, seiner Meinung nach, besser darauf verstehen. Ein Anderer wiederum kann nicht aufhören zu denken (wir wollen nicht der Frage nachgehen, mit welcher Umdrehungszahl sich sein geistiges Hamsterrad bewegen mag; es könnte uns schwindlig werden), verliert sich im Denken und ahnt schließlich nicht mehr, worüber er eigentlich … was wollte er noch?

Nicht Weiß, nicht Schwarz. Es muss wohl Grau sein, zumindest irgendein Grauton, wenn schon nicht durch und durch Grau.

In der Grauzone spielt sich somit dasjenige ab, womit wir uns hier beschäftigen.

Wie bitte? Was? … Kein farbenprächtiges Panorama? Keine große Bühne für das Pathos? Nur fades Schattenspiel? – Das darf doch wohl nicht wahr sein!

Aber, aber! Immer mit der Ruhe! Weshalb so aufgebracht? Unsere Meinungen sind nicht so verschieden, wie Sie es vielleicht vermuten (wenn Sie denn eine andere Meinung haben sollten). Auch ich lechze nach Farbe, und wo ich sie nicht finden kann, erlahmt augenblicklich mein Interesse.

Mit der Grauzone aber verhält es sich wie folgt: sie geht dem Farbenspiel voraus.

Literatur heißt Arbeit, harte Arbeit (doch beachten Sie: ein Meisterwerk riecht nie nach Schweiß). Man hat bei ihr die Sonnenbrille auf: der Schreiber, damit er nicht von Eitelkeiten geblendet wird; der Leser, damit ihm die Sonne nicht den Ausblick verstellt.

Montag, 7. Februar 2011

Stück für Stück

Littera.

Buchstabe.

Um mehr geht es bei der Literatur nicht. – Welch ein Glück, dass es nicht um mehr geht! – Denn mehr wäre beim besten Willen nicht zu erreichen, geschweige zu bewältigen!

Es ist allemal schon schwierig genug, Kombinationsreihen von Buchstaben aufzustellen, die keinem Selbstzweck unterliegen, sondern einem höheren Zweck. Die Kunst aber – und erst dann dürfen wir von einem Künstler, Literaten reden – liegt darin, jedem einzelnen wie auch der Gesamtheit der Buchstaben ein eigentümliches Leben einzuhauchen, also eine Sphäre zu schaffen, die überirdisch ist. Das sagt sich so leicht wie es schwer zu erreichen ist. Warum sollte das abschrecken? Im Gegenteil. Die Kunst wäre keinen Pfifferling wert, wäre sie en passant zu erhaschen.

Ein mühseliges Geschäft. Buchstabe um Buchstabe um Buchstabe um …

Wohin aber führt das alles?

Litterae.

Literatur eben.

Freitag, 4. Februar 2011

Das neuronale Netz verändert das neurale

Stichwort: Papier. Zu Papier gebracht haben.

Vergegenwärtigen wir uns, halten wir uns stets vor Augen, dass die so genannte virtuelle Welt ein Hirngespinst ist. Lassen wir uns nicht beirren. Wir leben in der einzig möglichen Welt: der wirklichen.

Ob Sie die Güte aufbringen wollen, mir den Gefallen zu erweisen, diesen Beitrag auszudrucken, die Finger über das Papier gleiten zu lassen, zärtlich, in Gedanken verloren?

--- Was das mit Literatur zu tun haben soll?

Nun … ich denke: alles.

Dienstag, 1. Februar 2011

Seinen eigenen Weg finden

Mit dem Zweifel ist das nun so eine Sache. Er scheint mir unentbehrlich zu sein, ja, empfehlenswert im Hinblick auf den Schreibprozess – und dann wieder überflüssig, ja, verachtenswert, wenn dieser Prozess zum Abschluss gekommen ist.

Ich wüsste jemandem, der seine ersten Schreibversuche unternimmt, keinen anderen Rat zu geben als diesen: Zweifeln Sie, misstrauen Sie jedem Wort, das Sie schreiben, lassen Sie nicht das Feuer erlischen, in dessen Flammen Ihr Manuskript seine letzte Heimstätte finden sollte oder müsste, wenn es Sie nicht zufriedenstellt – und setzen Sie das Wörtchen ENDE nur dann auf das letzte Blatt, löschen Sie das Feuer erst dann, wenn Sie gewiss sind, sich absolut sicher sind, dass Sie alles gegeben haben, was Ihnen möglich war, dass Sie nichts, weder dann noch später, von dem, was Sie zu Papier gebracht haben, bereuen müssen! (Übrigens würde ich diesen Rat jedem geben, auch einem, der schon zwanzig Bücher veröffentlicht hat, rein vorsorglich für den Fall, dass er vielleicht meint, schon am ENDE zu sein – ohne es bisher wirklich gewesen zu sein.)

 Allerdings wüsste ich demjenigen, der sich meinen Rat dergestalt zu Herzen nähme, deswegen mit dem Schreiben gleich gänzlich aufzuhören, keinen Trost zu vermitteln, ich wollte es auch nicht. Dafür ist nämlich der Gegenstand unserer Auseinandersetzung – bei allem Spiel – doch eine zu ernsthafte Angelegenheit.

Letztendlich muss da jeder alleine durch. Ist auch gut so. Woher sollte denn ansonsten die große, die ganz große Literatur kommen? Wer sollte sie uns denn bringen? – Die Mitläufer doch sicherlich nicht.